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update 11.09.2011

Die Geschichte des SKGNamenspatron des SKGInfos zur Stadt Krumbach

Barockbaumeister Simpert Kraemer

Durchfährt man auf der Autobahn Augsburg-Ulm den Landkreis Günzburg, so wird man seit einiger Zeit durch zwei große Tafeln auf den "Schwäbischen Barockwinkel" aufmerksam gemacht.

Für einen Fremden ist dies eine Einladung zu einer ergiebigen Kunstreise in den Landkreis Günzburg, für den Einheimischen vielleicht eine Aufforderung zu einem gelungenen Sonntagsausflug mit kunsthistorischer Komponente.

Die Barockzeit

Wer sich mit den Baumeistern unserer heimischen barocken Kunstwerke auseinandersetzen will, hat im Geschichtsbuch einige Seiten zurückzublättern, und kommt in die Zeit des gewaltigen Wiederaufbaus nach den Verheerungen des 30jährigen Krieges (1618-1648). Der Krieg und die Pest entvölkerten ganze Landstriche; auch die Klöster wurden arg in Mitleidenschaft gezogen. Das Kloster Ursberg wurde von plündernden Schweden zerstört, Edelstetten wurde verwüstet und auch Wettenhausen hatte schwer unter den Übergriffen der Schweden zu leiden. Das Kloster Roggenburg wurde geplündert, die Patres ermordet, sofern sie nicht geflohen waren. Das ganze Land zwischen Iller und Lech war von seinen kulturellen und wirtschaftlichen Wurzeln abgeschnitten und in trostloser Verfassung. Aus dem eigenen heraus schien keine Erneuerung mehr möglich. Es kamen Zuwanderer in großer Zahl, vor allem aus den österreichischen Ländern.

Als Deutschland noch tief in den Wirren des 30jährigen Krieges lag und danach an seinen Folgen litt, blühte in den romanischen Nachbarländern bereits die Glanzzeit religiöser Barockkultur. Diese war Anfang des 16. Jahrhunderts von Rom ausgegangen und löste die Renaissance ab.

Während die Kunst der Renaissance an die Vernunft appellierte und überzeugen wollte, wandte sich die Kunst des Barocks an das Gefühl und an die Phantasie. Der Barock war mit ein künstlerisches Instrument der katholischen Kirche und der Gegenreformation, die sich anschickten, die Gläubigen mit neuer Kraft für sich zu gewinnen.

Bautätigkeit in Wettenhausen und Ursberg

Es mussten nach Ende des 30jährigen Krieges erst einige Jahrzehnte vergehen, bis jenes Existenzminimum geschaffen war, das dann erlaubte, dass sich Kunst und Kultur wieder bei uns entfalten konnten. In unserer Gegend vermochten es die Klöster Ursberg und Wettenhausen als erste, große Bauaufträge zu vergeben. Der Wiederaufbau setzte jedoch nicht aus dem eigenen handwerklichen und künstlerischen Können heraus ein, dazu hatten Land und Leute zu sehr gelitten. Die ersten großen Bauaufgaben wurden von Meistern aus Vorarlberg übernommen.

Franz II. Beer von Bleichten wurde mit Bauten beauftragt in Kempten, in Bad Wörishofen, vom Kloster Oberschönefeld und dem Kloster Irsee.

Ein anderer Vorarlberger Baumeister war Michael Thumb aus Berlin im Bregenzer Wald, der in vielen schwäbischen Orten baute: so z.B. in Augsburg, in Dillingen die ehemalige Universität und heutige Akademie für Lehrerfortbildung, in Ichenhausen das Untere Schloss, in Wettenhausen Kirche und Kloster und schließlich in Edelstetten den Konventsbau.

1681 begannen die adeligen Fräulein von Edelstetten mit dem Neubau der Stiftsanlage. Unter den Maurergesellen war Mang Kraemer aus Weißensee bei Füssen. Mang oder Magnus Kraemer war Leibeigener, ein Mensch auf der unteren Stufe der feudalen Gesellschaftsordnung, eine unfreie Existenz. Mit dem Geld, das er sich als Maurer verdiente, konnte er sich später freikaufen. Äbtissin des adeligen Damenstifts Edelstetten war damals Maria Carolina von Westernach (1691 - 1726), die Mang Kraemer kannte, seit er einige Jahre vorher mit seinem Sohn und Lehrjungen Simpert am Schloss Kronburg, ein Familienbesitz der Westernachs, gearbeitet hatte.

Simpert Kraemer (1679 - 1753)

Simpert war der älteste Sohn von Mang Kraemer. Er wurde am 2. Oktober 1679 in Weißensee (bei Füssen) geboren. Er ist unter ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen. Nach zunftmäßiger, offenbar gediegener Ausbildung in Lehrzeit und Wanderschaft begleitete er als 21jähriger zusammen mit seinem 16jährigen Bruder Leopold den Vater Mang nach Edelstetten, wo sie als Maurergesellen arbeiteten.

Die Pläne für den Konventsbau in Edelstetten stammen von Pater Christoph Vogt von der Benediktinerabtei Ottobeuren. Das Talent der Kraemers muss Architekt Vogt bald aufgefallen sein, denn Mang Kraemer erhielt den Bau eines neuen Kirchturms in Edelstetten übertragen. Simpert Kraemer sah in der regen Bautätigkeit in Edelstetten weitere Arbeitsmöglichkeiten. Um diese Zeit muss er auch das Meisterrecht erworben haben. Im gleichen Jahr heiratete er Gaudentia Greiner und kaufte sich 1703 ein landwirtschaftliches Anwesen. Im Kaufprotokoll ist er als "ehrbarer junger Geselle, seines Handwerks ein Maurer und Gipser" bezeichnet.

Im Jahr 1708 wurde der Neubau der Stiftskirche beschlossen. Der Entwurf stammt wieder von Christoph Vogt, die Ausführung besorgte der Maurermeister Simpert Kraemer. Kraemer, geprägt von den Vorarlberger Vorbildern, konnte vom Architekten Christoph Vogt viel lernen, und Vogt schätzte die Arbeit Kraemers. Es sollte auch in Zukunft eine fruchtbare Zusammenarbeit der beiden geben. Die künstlerische und berufliche Grundlage von Simpert Kraemer wurde in Edelstetten gelegt.

Ein Wort noch zum reichen Stuckwerk in der Kirche von Edelstetten: Der prächtige Stuckdekor von 1710/11 der Kirche galt nach einer Kirchenbeschreibung von J. B. Schmid aus dem Jahre 1900 als die früheste Stuckdecke von Joh. Baptist Zimmermann, der diesen Auftrag in seinem Gesuch um das Freisinger Bürgerrecht vom 14.3.1710 anführte. Es kam dann jedoch nicht zur endgültigen Auftragsvergabe an Zimmermann. Nach Chr. Thon ist die Autorschaft von Simpert Kraemer für den Stuck in der ehemaligen Damenstiftskirche von Edelstetten als sicher erwiesen.

In den Unterlagen des Fürstl. Archivs Edelstetten heißt es:

"M(eister) Simperth verdienst sambt seiner Gibser und Maurer Gesellen mit verbuz und staffierung des volligen langhauses vom 1. März bis 6. Dezember ao. 1710 1138 fl. 53 Kr."

Unter den Gesellen ist auch Leopoldus, sicher der jüngere Bruder Simpert Kraemers. Simpert Kraemer wurde mit seinen Arbeiten in Edelstetten über seinen neuen Heimatort hinaus bekannt, und es folgten Aufträge von außerhalb; nun nicht mehr in der Funktion des Maurermeisters und Stuckateurs, sondern auch als Architekt und Planer. Es folgten selbstständige Aufträge in Unterbleichen, Pfaffenhausen, Benningen, Hawangen, Ungerhausen, Burtenbach, Scheppach, Neuburg a.d. Kammel, Edenhausen und Vesperbild. Der originelle Zentralbau in Vesperbild ist leider abgegangen. In Ottobeuren erhielt er beim Aufbau der riesigen Klosteranlage immer wieder Aufträge als ausführender Baumeister nach Entwürfen von Christoph Vogt: so am Nordflügel mit der Winterabtei, die Ökonomie, den Westflügel mit dem Kaisersaal und die Benedikts- und Abtskapelle in der Mitte des Nordflügels. Der Ottobeurer Abt Rupert Ness schätzte Simpert Kraemer inzwischen so sehr, dass er ihm 1736 - Kraemer war inzwischen 57 Jahre alt - Planung und Ausführung der Abteikirche anvertraute. Dies war damals der bedeutendste sakrale Bauauftrag in Deutschland. Eine besondere Ingenieurleistung war der gewaltige Geländeumbruch, der wegen aufspringender Quellen besondere Anforderungen stellte.

Leider starb schon vier Jahre nach Baubeginn Abt Rupert Ness. Die neue Klosterführung suchte sich neue Architekten. 1744, als der Bau schon zu einer ansehnlichen Höhe gebracht worden war, wurde zuerst Josef Effner und dann 1748 Johann Michael Fischer neuer Baumeister. Ausmaß und Baugestalt der heutigen Kirche tragen mit die prägende Handschrift von Simpert Kraemer. Aufgrund der guten Einkommenslage konnte sich Kraemer in Edelstetten ein größeres Anwesen kaufen. 12 Kinder, fünf Töchter und sieben Söhne, kamen in der Familie Kraemer zur Welt, wovon allerdings nur fünf den Vater überlebten.

Johann Martin Kraemer (1713 - 1782)

Der am 21. November 1713 in Edelstetten geborene Sohn Johann Martin Kraemer übernahm als 20jähriger in Pacht das elterliche Anwesen und heiratete im gleichen Jahr Maria Anna Rebay aus einer aus Como stammenden, in Schwaben ansässig gewordenen Kaufmannsfamilie. Johann Martin Kraemer erlernte wie sein Vater das Maurerhandwerk und unterstützte ihn bei vielen Aufträgen. Das Schaffen von Vater und Sohn ist oft kaum zu unterscheiden. Johann Martin Kraemer wird als selbstständiger Baumeister tätig und errichtet so die Pfarrkirche von Deubach. Ein besonderer Auftrag war der Bau der Krumbacher Stadtpfarrkirche St. Michael in den Jahren 1751/52. Eine planerische Mitarbeit des Vaters darf angenommen werden.

Im hohen Alter von 72 Jahren erhält Simpert Kraemer nochmals eine bedeutende Aufgabe. Die Prämonstratenser Reichsabtei Roggenburg übertrug ihm 1752 den Neubau ihrer Klosterkirche. Bei der Grundsteinlegung am 17. Juli 1752 schritt in der Festprozession der hochgeachtete "Architekt Herr Simpert Kraemer" hinter dem Grundstein her. Im Herbst waren die Mauern schon 8 bis 10 Fuß über die Fundamente gewachsen. Am 14. Januar 1753 starb der 73-jährige Meister aus Edelstetten. Sein Sohn Johann Martin führte den Bau zu Ende, der eines der herrlichsten Gesamtkunstwerke des süddeutschen Rokoko wurde. Nach Dehio ein "schwäbisches Melk" hoch über dem Tal der hier zu Weihern aufgestauten Biber gelegen. Einheimische Handwerker und Künstler waren es, die diese herrliche Anlage geschaffen haben, unter ihnen der Weißenhorner Maler Franz Martin Kuen.

Das Stift Roggenburg und sein Mutterkloster Ursberg waren in der Folgezeit die Hauptauftraggeber von Johann Martin Kraemer, so in Oberwiesenbach und in Attenhausen. Das gesamte Werk von Johann Martin Kraemer ist noch nicht erforscht. Eine Reihe von Bauten sind Zuschreibungen aufgrund der Kraemerschen Baumerkmale oder seiner typischen Turmgestaltung. Dazu gehören auch Pfarr- und Schlossturm in Babenhausen, die Kirche in Ungerhausen bei Memmingen, die Kirche in Attenhausen, die Kirche in Meßhofen bei Roggenburg, die Kirche in Haupeltshofen und der Kirchturm in Elzee. Vater und Sohn haben eine Reihe von in ihrer Schlichtheit und Formenstrenge beachtlichen Sakralbauten des Barock mit klarer Linienführung geschaffen und damit das architektonische Bild der mittelschwäbischen Landschaft entscheidend geprägt.

Heinrich Habel schreibt 1969 in der Landkreisbeschreibung: "Wir besitzen keine Portraits von Simpert und Johann Martin Kraemer." Aus Babenhausen ist ein Ölgemälde bekannt, das sich seit einigen Jahren in der Pfalz befindet, und das nach mündlicher Überlieferung Johann Martin Kraemer zeigt. Die Wahrscheinlichkeit wird durch die Darstellung des Babenhausener Kirchturms mit seiner Schweifspitze erhöht. Ein Foto dieses Portraits von Johann Martin Kraemer befindet sich im Archiv des Simpert- Kraemer-Gymnasiums.

Johann Martin Kraemer starb mit 68 Jahren am 5. März 1782. Sein ältester Sohn Joachim, geboren 1740 wurde ebenfalls Maurermeister, er heiratete nach Donauwörth, wo er ansässig wurde.

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update 11.09.2011 von OStD J. Deil